V e r g e s s e n - W i e d e r f i n d e n

Auf der Suche nach Spuren des kulturellen Lebens in Wien um 1900.
Restaurierung des von Kolo Moser entworfenen Grabdenkmals des Liebenpreisträgers Josef Herzig



ein Projekt der 7A des
GRG 3 Hagenmüllergasse 30, 1030 Wien


im Rahmen des BMBWK-Projektes zur Bewusstseinsbildung des Kulturerbes
KULTURELLES ERBE: TRADITION MIT ZUKUNFT
im Erinnerungsjahr 2005


Projektteam: beteiligte Schüler und Schülerinnen der 7A:
Alferi Bertrice, Broneder Elisabth, Fryc Ines, Hartl Thomas, Hummelberger Ramona, Sack Alena, Tormoche Diana, Wachauer Astrid, Wirth Ferdinand
betreut durch das Lehrerteam Mag. Gertrude Pieber und Mag. Erika Seywald
unter der Leitung von Univ.-Doz. Dr. Rudolf Werner Soukup
Danken für Hilfestellungen möchten wir: Herrn Univ.-Doz. Dr. Friedrich Dahm (BDA) und Herrn Dip. Ing. Georg Gaugusch (TU-Wien)

Finanziell unterstützt wurde dieses Projekt durch das BMBWK

Projektpartner waren: BDA, UNESCO und KKA







1. Vorbemerkung

Anlässlich des Gedenk- und Erinnerungsjahres 2005 setzten sich österreichweit ca. 1300 Schüler und Schülerinnen aller Schultypen und Altersklassen mit historischem Kulturgut auseinander. Aus vielen eingereichten Schulprojekten wählte eine Fachjury 33 Projekte für eine finanzielle Unterstützung aus. Das Projekt unserer Schule wurde mit ca. € 1.300 gefördert.

2. Vorgeschichte

Am 9. Nov. 2004 wurde in einer feierlichen Sitzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften der renommierte Ignaz. L. Lieben-Preis erstmals wieder vergeben, nachdem er durch die Herrschaft der Nationalsozialisten eingestellt und das letzte Mal im Jahre 1937 verliehen worden war. Der Ignaz-Lieben-Preis stellte von 1862 bis 1937 den bedeutendsten Beitrag zur Förderung der Naturwissenschaften in Österreich dar. In den 72 Jahren, in denen der Preis vergeben worden war, waren die Arbeiten der 55 Lieben-Preisträger ein wesentlichen Beitrag für die österreichische Forschung.

Anlässlich der Wiedererrichtung der Liebenstiftung haben Schüler und Schülerinnen der Oberstufe und Lehrer und Lehrerinnen des GRG3 Hagenmüllergasse Ende Juni 2004 zwei Grabstellen von Preisträgern des Lieben-Preises wieder instand gesetzt. Restauriert wurden die verwahrloste Gruft der Forscherfamilie Natterer am Wiener Zentralfriedhof und das an und für sich in der Betreuung der Gemeinde Wien stehende Grab des bedeutenden Physiologen Sigmund Exner.

Bei einem Rundgang durch den Zentralfriedhof und bei einer Exkursion in andere Friedhöfe Wiens mussten wir damals feststellen, dass sich noch viele Gräber von bedeutenden österreichischen Naturwissenschaftlern in einem unwürdigen Zustand befinden. Insbesondere schien uns eine Restaurierung des Grabdenkmals Pineles-Herzig als vordringlich. Hier liegt der Lieben-Preisträger des Jahres 1902 Josef Herzig begraben, der der Begründer des pharmazeutischen Lehrstuhls an der philosophischen Fakultät der Universität Wien war (Biografie Herzigs siehe Punkt 5). Aber auch die hier zur letzte Ruhe bestatteten Mitglieder der Familie Pineles waren zum Teil bedeutende Lehrer und Forscher der Wiener Universität. Das Grab befindet sich im Jüdischen Friedhof am 1. Tor des Wiener Zentralfriedhofs (Gruppe 51, Reihe 8, Nr. 7); es wurde offensichtlich devastiert. Erste Recherchen ergaben, dass es sich bei diesem besonders auffälligen Denkmal um einen Entwurf des bedeutenden Jugenstilkünstlers Koloman Moser handelt. Bald wurde klar, dass wir es hier mit einem ganz außergewöhnliches Objekt zu tun haben, das in einzigartiger Weise gestattet, mehr über das geistige Leben in Wien um 1900 in Erfahrung zu bringen.

3. Ergebnisse der Recherchen

Aufgabe der Schüler war zunächst die Dokumentation der Spuren Josef Herzigs in Wien:

3.1 Dokumente im Universitätsarchiv und im Archiv der MA 8 der Gemeinde Wien
Zum Teil sind diese Dokumente als Download verfügbar (siehe weiter unten).

Der wissenschaftliche Werdegang Josef Herzigs

Daten aus dem Personalakt:
Josef Herzig wird am 25 September 1853 in Sanok, Galizien geboren. Er besucht sowohl ein Gymnasium in Breslau als auch in Wien. Sein Maturitäts- Zeugnis erhält er in Wien-Leopoldstadt am 31. Juli 1874. Danach betreibt er Universitäts-Studien in Berlin, Heidelberg und Wien. Josef Herzig beginnt sein Chemiestudium in Wien, geht im zweiten Jahr zu A. W. Hofmann nach Berlin und 1876 zu Bunsen nach Heidelberg, dem er eine gründliche analytische Schulung verdankt.

Josef Herzig promoviert am 23. November 1879 zum Doktor der Philosophie an der philosophischen Fakultät der Universität Wien. Seine Habilitation für Chemie reicht er an der philosophischen Fakultät in Wien ein. 10 Jahre später, also 1897, wird Herzig zum außerordentlichen Professor ernannt. Vor der Erlangung dieser Professur ist er, von 1880 bis 1. Juni 1886, als Assistent am 1. Chemischen Universitätslaboratorium tätig. Vom 1. Juni 1886 bis August 1897 hat er im oben genannten Laboratorium eine Stelle als Adjunkt inne. Vom Studienjahr 1902/1903 an hält Herzig die für Pharmazeuten vorgeschriebenen Vorlesungen und Übungen ab. Damit wird erstmals die Ausbildung von Chemikern und Pharmazeuten getrennt und der Grundstein für eine eigene pharmazeutische Lehrkanzel gelegt, die unter Faltis im Jahre 1913 verwirklicht werden kann. Wie aus den Akten hervorgeht, wird Herzig aus konfessionellen Gründen zurückgesetzt.

Er wird zwar ordentlicher Professor ad personam und darf nach dem Tod von Weidel die Lehrkanzel am I. Chemischen Laboratorium zwei Jahre lang supplieren, aber er wird nicht zum Vorstand des Laboratoriums ernannt. 1900 - 1902 ist er unter Oberleitung vom Hofrat Prof. Lieben mit der Leitung des 1. Chem. Universitätslaboratoriums und mit dem Abhalten von Vorlesungen betraut. Am 21. Oktober 1906 wird Dr. Josef Herzig der Titel und Charakter eines ordentlichen Universitätsprofessors verliehen.

Aus einem Dekret vom 12. November 1913 geht die Ernennung zum ordentlichen Professor der pharmazeutischen Chemie an der Uni Wien hervor. Weiters wird Prof. Dr. Herzig dazu angehalten folgende Vorlesungen abzuhalten:
1) die für die Studierenden der Pharmazie vorgeschriebenen Vorlesungen und Übungen der pharmazeutischen Chemie
2) in jedem 2. Jahr durch ein Semester eine 5 stündige Vorlesung über die Chemie der Benzolabkömmlinge
3) sonstige Vorlesungen aus den Gebiete der Chemie entsprechend den jeweiligen Unterrichtsbedürfnissen. Überdies hat der Genannte in jedem 3. Semester ein Kollegium publicum über Spezialpartien seines Faches zu lesen.

Bezüge: 1500 Kronen Gehalt und 1400 Kronen Aktivitätszulagen

Mitglied bei folgenden wissenschaftlichen Vereinigungen: Mitglied der Deutschen Chemischen Gesellschaft in Berlin und der Physikalisch-chemischen Gesellschaft in Wien

Erwähnungswert ist der Kommissionsbericht vom 8. Dezember 1903, in welchem nach der Aufzählung über Herzig's Lebensstationen das Professorenkollegium beim Ministerium für Kultus und Unterricht die Erwirkung des Titels und Charakters eines ordentlichen Universitätsprofessors an den außerordentlichen Professor Dr. Josef Herzig beantragten.
Das Kollegium besteht aus den Professoren F. Exner, Hofrat Lieben, Hofrat von Lang, Reisch unter dem Vorsitz des Dekans Hr. Hofrat Pernter. Den Antrag reichen die Professoren Hofrat Lieben und Wegscheider ein. Die Kommission findet sich am 4. Dezember 1905 zu Beratungen ein. Ausschlaggebend für die Beantragung ist einerseits der Umstand, dass Prof. Herzig zufolge seines Lehrauftrages Vorlesungen (pharmazeutische Chemie) und Übungen (Untersuchungen pharmazeutischer Präparate) abzuhalten hatte, welche früher einem Ordinarius übertragen waren.

Zitat aus dem Originaldokument:
"Prof. Herzig hat eine umfassende und erfolgreiche wissenschaftliche Tätigkeit aufzuweisen, die in ungefähr 100 Abhandlungen ihren Ausdruck gefunden hat. Es ist wohl nicht nötig, diese Arbeiten bei dieser Gelegenheit im einzelnen zu besprechen, zumal sie bereits wiederholt in Berichten unserer Fakultät gewürdigt worden sind. Es sei nur das wichtigste hervorgehoben. Seine Arbeiten über die natürlichen Farbstoffe (...) haben grundlegende Beiträge zur Aufklärung dieser Körperklasse geliefert; die von Herzig bisher angewendeten Methoden haben sich seither auch bei zahlreichen Untersuchungen anderer Forscher als sehr vorteilhaft erwiesen. Seine mit seinem Freunde S. Zeisel zusammen ausgeführten Untersuchungen über den Bindungswechsel bei Phenolen gehören zu den interessantesten Experimentaluntersuchungen, die auf dem vielbearbeiteten Gebiet der Lehre von der Tautomerie vorliegen. Seine Methode zur Bestimmung des an Stickstoff gebundenen Methyls ist ein für die Untersuchung stickstoffhältiger organischer Stoffe wichtiges Forschungsmittel geworden. Die Untersuchungen über die Äther der höheren Phenole und ihrer Abkömmlinge (die zum großen Teil zusammen mit dem Privatdozenten Dr. F. Pollak und Dr. F. Wenzel durchgeführt werden) bieten vom theoretischen Standpunkt viel interessantes und sind auch für die Aufklärung gewisser Pflanzenstoffe von Wichtigkeit. Auch hat Prof. Herzig bei dieser Gelegenheit zum ersten male von der Methylisierung mit Diazomethan in größerem Umfang Gebrauch gemacht und dadurch die Nützlichkeit dieses Forschungsmittels in helles Licht gesetzt. Endlich seien noch seine Arbeiten in der Triphenylmethangruppe erwähnt, welche sehr bemerkenswerte Tatsachen zutage gefördert haben."
(Wegscheider, Lieben, Exner, Lang, Reisch)


Diese wissenschaftliche Tätigkeit hat 1907 durch die Verleihung des Liebenpreises seitens der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien Anerkennung gefunden.

Mit Ende September 1923 wird Professor der Chemie Dr. Josef Herzig in den dauernden Ruhestand versetzt. Ein Jahr später stirbt er. Sein Förderer Prof. Adolf Lieben sagte:
Es sei Aufgabe des Wissenschaftlers, ohne Rücksicht auf persönliche Vorteile und allgemeine Vorurteile der Erforschung der Wahrheit zu dienen.
Dieser Aussage ist Josef Herzig voll gerecht geworden.

Geschrieben von Alena Sack


Eine kurze persönliche Anmerkung zur Recherche im Archiv der Universität Wien

Nachdem wir per Telefon niemanden erreichen konnten, beschlossen wir uns ohne Ankündigung zum Archiv zu begeben. Als wir das Gebäude des Archivs sahen, wunderten wir uns, wie jemand freiwillig in ein so verwahrlostes Gebäude gehen, geschweige denn darin arbeiten kann. Als wir das Gebäude betraten, gab es keinerlei Informationen für einen "Neuankömmling", die einem weiterhelfen konnten. Zum Glück trafen wir jemanden, der uns erklärte, dass wir nur im Lesesaal Einblick in die nötigen Akten bekommen können, und dass dieser am Freitag schon um 12 Uhr schließt. Welcher Mensch hat von 9-12 Uhr an einem Werktag Zeit in ein Archiv zu gehen? Als wir uns an dem darauffolgenden Dienstag abermals zum Archiv begaben, wurde uns mitgeteilt, dass man mindestens zwei Tage vorher die gewünschte Akte bestellen muss und dass wir dazu ruhig hätten anrufen können. So mussten wir eine Woche später wieder zum Archiv gehen, wo man uns sagte, dass immer nur einer von uns Einsicht in die Akte haben dürfte. Diese Regelung ist allerdings unsinnig, da wir sowieso nichts durcheinander gebracht hätten (das gehört ja wohl zum gesunden Menschenverstand), uns aber zusammen dafür entscheiden mussten, welche Informationen wichtig, und welche weniger wichtig sind, da dies ein Gemeinschaftsprojekt war. Schlussendlich gelang es uns die wichtigsten Dokumente zu kopieren und wir konnten endlich dieses Gebäude verlassen, um nie mehr dorthin zurückzukehren.
Geschrieben von Astrid Wachauer, Alena Sack und Ferdinand Wirth

Downloads (Originaldokumente aus dem Universitätsarchiv Wien):
Kurzbiographie (Personalakt)
Kommissionsbericht Teil 1
Kommissionsbericht Teil 2
Kommissionsbericht Teil 3
Themenvorschläge für die Probevorlesung
Ernennungsdekret
Von der MA 8 der Gemeinde Wien: Meldezettel (von Ramona Hummelberger und Elisabeth Broneder)


3.2 Genealogie der Familie Herzig. Recherchen in der Genealogisch-Heraldischen Privatbibliothek "Adler"

Die Verbindungen zwischen den Familien Pineles und Herzig

Saul Pineles (1834 - 1903) wurde als Erster in der Grabstätte Pineles-Herzig begraben. Sein Onkel war Hirsch Mendel Pineles (1806 - 1870). Hirsch Mendel Pinles hatte einen Sohn namens Samuel Pineles (1843 - 1928), der sich früh der Chibbath-Zion Bewegung anschloss. Saul Pineles war ein jüdischer Decken- & Wollwarenfabrikbesitzer. Alles begann damit, dass er, der mit Klara Herzig (1835 - 1910) verheiratet war, seine Heimatstadt Sanok in Galizien verließ und so wie auch sein Schwager Mendel Herzig nach Wien ging. Saul und Klara Pineles hatten fünf gemeinsame Kinder:

- Markus (Mordechai) 1853 - 1931
- Stanislaus 1857 - 1921
- Etka 1859 - 1936
- Broncia (Bronislava) 1863 - 1934
- Friedrich 1868 - 1936


Markus Pineles (1853 - 1931) war mit Frida (Freude) Thenen (1856 - 1937) verheiratet. Sie hatten drei Kinder:

- Irma 1879 - 1937
- Bettina 1880 - 1941
- Norbert 1888 - 1942


Irma Pineles war mit Josef Popper verheiratet und hatte zwei Kinder: Minna und Paul Popper. Sie starb wie ihr Mann in Wien.

Bettina Pineles wurde 1941 deportiert.

Dr. Norbert Pineles heiratete Stella Pineles. Sie hatten keine Kinder und wurden 1942 deportiert.

Stanislaus Pineles (Pseud. Isia von Arandal) erblickte am 15.7.1857 in Sanok (Galizien) das Licht der Welt. Er absolvierte ein juristisches Studium (1875-1879) an den Universitäten Wien und Heidelberg (Dr.jur.1887). 1889 wurde er Advokaturkandidat und habilierte sich 1891 als Privatdozent für Römisches Recht an der Universität Wien. In seinen Forschungen konzentrierte er sich auf Vergleiche verschiedener Rechtssysteme und war nebenbei auch Herausgeber des " Gaius. Zeitschrift für Rechtsgeschichte". Gestützt auf Leibnitz´ Idee einer universalen Rechtsgeschichte sah Stanislaus in der Rechtsvergleichung einen unentbehrlichen Teil der Rechtsgeschichte. Er entwickelte eine Methode der systematischen Nebeneinanderstellung der möglichen Lösungen diverser Probleme. Er befasste sich mit der Problematik verschiedener Rechtssysteme. Er wandte die von ihm entwickelte Methode auf die römische Rechtsgeschichte an, die sich nicht nur auf die römischen Quellen beschränken dürfe, sondern auch andere Rechtsysteme zum Vergleich heranziehen müsse. In seiner Arbeit über die "Communio pro diviso" (d.i. Miteigentum), bei dem die Teilhaber ein Recht an bestimmten Teilen der gemeinsamen Sache haben, z.B.: das Stockwerkeigentum, verfocht Stanislaus gegenüber der herrschenden Rechtslehre die Zweckmäßigkeit dieser Einrichtung. Stanislaus war ledig und starb am 30. 6. 1921 in Wien.

Etka Pineles heiratete 1899 mit 40 Jahren, den damals 46-jährigen Josef Herzig in Baden.

Josef Herzig (wahrscheinlich ein Neffe von Klara Herzig) kam am 25. 9. 1853 in Sanok (Galizien) auf die Welt. Er war Universitätsprofessor. 1902 erhielt er einen Lehrauftrag für pharmazeutische Chemie und den Lieben-Preis. Die Erfindung der Methode der Methylimid-Bestimmung hatte zahlreiche wiss. Publikationen zur Folge. Josef Herzig starb am 4.7.1924 in Wien I., Franzensring (heute Dr. Karl Lueger-Ring) Nr. 18.

Bronica Koller-Pinell (geb. als Bronizlawa Pineles) wurde am 25.02.1863 in Galzien geboren. Sie war Künstlerin und mit Dr.Hugo Koller (*1868) verheiratet. Koller war Arzt und Physiker (Katholik). Bronica zog mit ihren Eltern 1870 nach Wien und 1885 hatte sie hier ihre erste Ausstellung. Sie studierte 2 Jahre in München und Leipzig Malerei. Ihr berühmtestes Werk ist "Adagio". Nach ihrer Heirat lebte sie in Nürnberg. 1902 Rückkehr des Paares nach Wien. Broncias Bezugsperson war in Wien zunächst Gustav Klimt. Ein zusammen mit ihrem Ehegatten erworbenes Haus im Oberwaltersdorf ließ sie nach Plänen des Begründers der Wiener Werkstätte Josef Hoffmann umbauen. Die Inneneinrichtung gestalltete sie gemeinsam mit Koloman (Kolo) Moser. Dieses Haus wurde zu einen beliebten Treffpunkt für Künstler, Philosophen und Intellektuelle. Sie pflegte Kontakt mit Egon Schiele, Anton Faistauer und Franz v. Zülow. Broncia Pinell-Koller starb am 26.04.1934 in Wien 4. Prinz-Eugen Str.12. 1993 wurden ihre Werke im Jüdischen Museum Wien ausgestellt. Es ist ganz offensichtlich Bronica Koller-Pinell zu verdanken, dass das Grabdenkmal für ihren 1903 verstorbenen Vater Saul Pineles vom bedeutenden Jugendstillkünstler Kolo Moser entworfen worden ist.

Friedrich Pineles (Mendel Salomon) am 23. 9. 1868 in Sanok (Galizien) geboren, arbeitete nach dem Studium an der Universität Wien Von 1892 an arbeitete er als Arzt am AKH und habilierte sich 1902 für innere Medizin. Er war Vorstand am Franz-Joseph-Ambulatorium. Mit Jakob Erdheim kam er zu neuen Erkenntnissen hinsichtlich der Drüsenfunktionen. Er veröffentlichte zahlreiche Arbeiten über Physiologie und Pathologie der Epithelkörperchen und gab ab 1920 (mit Wilhelm Faltan und H. Friedrich Trenchebach) das " Wr. Archiv für innere Medizin " heraus. Friedrich Pineles befasste sich insbesondere mit der Volkskrankheit Tuberkulose und mit dem Heilstättenwessen. Besonders bemerkenswert ist, dass Friedrich Pineles eine 12-jährige Liaison mit Lou Andreas-Salome hatte, die die bedeutenste Schülerin Sigmund Freuds war. Friedrich Pineles starb am 2./3.3.1936 in Wien.



3.3 Fotos von Besuch der Herziggasse im 23. Bezirk in der Nähe der U6 Station Perfektastraße.
Diese Gasse ist seit 1973 nach dem Chemiker Josef Herzig benannt.







Fotografiert von Thomas Hartl

3.4 Von den Schülern durchgeführte chemische Experimente im Sinne der Naturstoffchemie Josef Herzigs

Die Pflanzenfarbstoffe Quercetin, Fisetin oder Morin aus der Gruppe der Flavonole standen uns in der Schule leider nicht zur Verfügung. Wir experimentierten mit Gallussäure, die chemisch nicht ganz unähnlich ist. Aus Gallussäure und Eisen(II)-sulfat stellten wir nach einem alten Rezept Eisengallustinte her.

3.5 Josef Herzig - ein Schulfreund Sigmund Freuds

Sowohl Josef Herzig als auch Sigmund Freud besuchten das Leopoldstädter "Communal - Gymnasium" in der Taborstraße. Freud maturierte dort am 9. Juli 1873, Herzig, der drei Jahre älter war, ein Jahr später (31. Juli 1874). Durch Vermittlung des allseits geschätzten Herbräisch-Lehres am Leopoldstätter Gymnasium Samuel Hammerschlag konnte Herzig 1884 Sigmund Freuds Lieblingsschwester Rosa Freud kennen lernen. Herzig verbrachte mit Rosa 3 Wochen in Oberwaltersdorf. Es kam zu keiner Verlobung. Freud, der im Zuge seines Studiums chemische und physikalische Lehrveranstaltungen besuchte, widmete Herzig seine ersten physiologisch - wissenschaftlichen Arbeiten. Es war dieser Jugendfreundschaft zu verdanken, dass für Freud keine unlösbaren Probleme bei seiner Emigration im Jahre 1938 auftraten. Mehr dazu im Kapitel 5.

3.6 Vorhaben für die Zukunft

Nicht alle Ziele, die wir uns gesteckt hatten, konnten wir erreichen. Wichtig wäre es, jene Gedenktafel an Herzigs ehemaliger Arbeitsstätte im Chemischen Institut in der Währinger Straße Nr. 10 wieder zu errichten, welche NSDAP-Studenten im Jahre 1938 zerschlugen.

4. Die Arbeiten am Grabdenkmal

Bevor mit den Arbeiten begonnen werden konnte, erfolgte ein Lokalaugenschein durch Herrn Univ-Doz. Dr. Friedrich Dahm vom Bundesdenkmalamt. Dozent Dahm war mit allen vorgeschlagenen Maßnahmen (Reinigung des Steines, Zurechtrücken der schweren Einfassung, Vergolden der ehemals mit Blattgold unterlegten Partien, gärtnerische Gestaltung) einverstanden. Auch Herr OAR Tichacek von der MA 43 wurde brieflich von den geplanten Aktionen in Kenntnis gesetzt. Er verwies uns auf die Israelitische Kultusgemeinde. Die Kultusgemeinde erteilte die Erlaubnis mit den Arbeiten beginnen zu können schon wenige Tage nach der schriftlichen Anfrage.

Daraufhin wurde der Steinmetzbetrieb SCHREIBER GmbH. mit der Durchführung der notwendigen Arbeiten beauftragt. Diese Arbeiten waren Ende Mai 2005 abgeschlossen, so dass wir am 2. 6. 2005 mit dem Pflanzen von bodendeckendem Efeu und wildem Wein als Kletterpflanze beginnen konnten.

Fotos: Zunächst vom Zustand Anfang Mai 2005, von den Arbeiten und vom Resultat.











Auf dem Grabstein finden sich folgende Angaben:

Saul Pineles
28. April 1834
28. September 1903

Klara Pineles
25. September 1935
8. November 1910

Dr. Friedrich Pineles
Professor an der Wiener Universität
23. September 1868
2. März 1936

Dr. Stanislaus Pineles
Privatdozent an der Wiener Universität
15. Juli 1857
30. Juni 1931

Dr. Josef Herzig
Professor der Chemie an der Universität Wien
25. September 1853
4. Juli 1924

Frau Etka Herzig
geborene Pineles
18. März 1859
20. November 1936

Ganz in der Nähe befindet sich das Grabdenkmal für

Markus Pineles
26. August 1853
10. Dezember 1931

und

Frieda Pineles, geb. Thenen
20. Dezember 1856
12. Juli 1937


5. Biografie Josef Herzigs


Josef Herzig

1853 - 1924

Der Namensgeber der Herzig-Meyer-Reaktion und große Naturstoffforscher - ein Jugendfreund Sigmund Freuds"
Die Biografie wurde entnommen aus: R. W. Soukup (Hg.), Die wissenschaftliche Welt von gestern, Böhlau-Verlag, Wien etc. 2004.

Foto: Festschrift zum siebzigsten Geburtstage von Josef Herzig, 1923



Josef Herzig wurde am 25. September 1853 in Sanok in Galizien als Sohn des Grundbesitzers Mendel Herzig geboren. Er besuchte Gymnasien in Breslau und Wien. 1874 erhielt er sein Reifezeugnis, begann in Wien mit dem Chemiestudium, ging aber bereits im zweiten Semester zu A. W. Hofmann nach Berlin, wo ihn die "blendende Erscheinung" seines Lehrers für die experimentelle Chemie gewann. 1876 finden wir Herzig bei Bunsen in Heidelberg, dem er eine gründliche analytische Schulung und vielleicht auch die Anleitung zu größter Genauigkeit und Exaktheit verdankt. Zu Ostern 1877 kehrte Herzig nach Wien zurück. Er dissertierte bei Prof. Ludwig Barth von Barthenau und promovierte 1880 zum Dr. phil. an der Universität Wien. Herzig wurde Assistent am I. Chemischen Universitätslaboratorium in Wien. Er konnte sich 1887 habilitieren und lehrte bis 1897 als Privatdozent, danach als außerordentlicher Professor an der Universität Wien.

Nicht nur durch seine Lehrer erhielt Herzig Anregungen zum wissenschaftlichen Arbeiten, auch eine Reihe von Kollegen beeinflussten den Entwicklungsgang des jungen Forschers. Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang Hugo Weidel, der zur fraglichen Zeit mit Studien über Verbindungen aus animalischem Teer befasst war, an denen Herzig beteiligt war. Mit Guido Goldschmiedt schrieb Herzig eine Arbeit über das Verhalten der Calciumsalze dreier isomerer Oxybenzoesäuren und der Anissäure bei der trockenen Destillation. Mit Simon Zeisel verband Herzig nicht nur ein Jahrzehnt wissenschaftlicher Zusammenarbeit, sondern innige Freundschaft. Zum Freundeskreis um Herzig zählten auch Haitinger, Bernheimer und später Wegscheider. Sigmund Freud war Herzig aus seiner Studentenzeit bekannt, auch ihm fühlte sich Herzig viele Jahre hindurch verbunden.

Wie aus mehreren Briefen Herzigs an die Universität hervorgeht, wurde er aus konfessionellen Gründen bei fälligen Beförderungen zurückgesetzt. Erst 1897, unüblich spät, nämlich erst zehn Jahre nach der Habilitation, konnte die Ernennung Herzigs zum außerordentlichen Professor durchgesetzt werden. Nach dem Tod von Hugo Weidel 1899 leitete Herzig zunächst selbständig, dann gemeinsam mit Wegscheider Weidels Lehrkanzel in supplierender Weise unter der formalen Oberaufsicht von Adolf Lieben. Als im Sommer 1902 Wegscheider zum Vorstand des I. Chemischen Universitäts-Laboratoriums ernannt wurde, erhielt Herzig nur einen selbständigen Lehrauftrag für pharmazeutische Chemie. 1913 wurde Herzig zwar o. Prof. ad personam, man wollte ihn jedoch nicht zum Vorstand eines eigenen Institutes ernennen. (Es war insbesondere der Mineraloge Gustav Tschermak, der gegen die Ernennung jüdischer Professoren Stellung bezog.) Herzig hielt seine Übungen stets an dem unter Wegscheiders Leitung stehenden I. Universitäts-Laboratorium ab. Er wies oft darauf hin, dass nur dank der konzilianten Natur Wegscheiders und der guten persönlichen Beziehung zu ihm gröbere Konflikte vermieden werden konnten. Es ist auf Herzigs starke Persönlichkeit zurückzuführen, dass die berufliche Enttäuschung zu keiner Verbitterung führte. Festzuhalten gilt, dass unter Herzig wenigstens de facto die Ausbildung von Chemikern und Pharmazeuten getrennt und der Grundstein für eine eigene pharmazeutische Lehrkanzel gelegt wurde.

Durch Barth wurde Herzig mit den Zielen der österreichischen Schule der Naturstoffforschung und mit den Arbeitsmethoden, insbesondere der Kalischmelze, vertraut gemacht . Schon 1881 widmete er sich der Untersuchung einer Reihe von Abbauprodukten des aus Westindien stammenden Guajak-Harzes, mit dem sich bereits Paracelsus im frühen 16. Jahrhundert befasst hatte.

Bereits in der ersten Mitteilung an die Akademie der Wissenschaften konnte Herzig darauf hinweisen, dass bei der trockenen Destillation dieses Harzes das neben dem Guajacol und dem Pyroguajacin auftretende Guajol nichts anderes als Tiglinaldehyd (Methyl-2-butenal) ist. Bei der Reaktion der Guajaconsäure mit Salpetriger Säure erhielt Herzig ein Produkt, das er als Dinitroguajacol identifizieren konnte. 1887 konnten J. Herzig und F. Schiff beweisen, dass das in der Guajak-Harzsäure enthaltene Pyroguajacin als Monomethoxy-monooxy-guajan aufzufassen ist, dem die Formel C12H10(OCH3)(OH) zukommt. Bezüglich der von Herzig und Schiff angegebene Summenformel für die Guajak-Harzsäure C20H26O4, zeigten Untersuchungen von Schroeter, Lichtenstat und Irineu 1918, dass diese Formel zwei Wasserstoffatome zuviel enthielt. 1889 versuchte Herzig auch die im Bruchkraut (Herniaria) vorkommenden Substanzen anzugeben. Es gelang ihm, durch Extraktion das Herniarin (den Methylether des Umbelliferons) zu erhalten.

Herzigs glanzvollste Beiträge waren jene, die zur Aufklärung der Konstitution von Pflanzenfarbstoffen aus der Gruppe der Flavonole (Quercetin, Fisetin, Rhamnetin), von Holzfarbstoffen und bestimmten künstlichen Farbstoffen (wie z.B. Galloflavin, Purpuroflavin) beitrugen, wobei er sich der Methode des Schutzes der Hydroxylgruppen durch Alkylierung und Acylierung bediente. Nicht zuletzt die Resultate Goldschmiedts scheinen Herzig auf die Idee gebracht zu haben, Pflanzeninhaltsstoffe mit freien Hydroxylgruppen zunächst vollständig zu alkylieren und dann durch systematisches Studium der weniger empfindlichen Derivate die Konstitutionsaufklärung voranzutreiben. Durch die Entstehung leicht identifizierbarer Spaltprodukte auf diesem Weg erwies sich die Methode als besonders fruchtbar.

Beim Ethylieren des Quercetins entstand ein Abkömmling, der nach der Erhitzung mit alkoholischer Kalilauge eine Verbindung ergab, welche intensiver gelb war als das Ethylprodukt. Herzig beachtete derartige Farbänderungen, er legte großes Gewicht auf die Farbigkeit bzw. Nichtfarbigkeit stickstofffreier phenolischer Verbindungen, weil er die Eigenschaft der Farbigkeit mit der chemischen Konstitution in Zusammenhang brachte. Sorgfältig verglich Herzig 1891 die Eigenschaft des erwähnten Quercetin-Derivats mit entsprechenden Verbindungen, die bei Reaktionen des damals bereits aufgeklärten Euxanthons auftraten. Er hoffte eindeutige Aussagen über die Struktur des Quercetins ableiten zu können, was sich allerdings zunächst als unmöglich erwies. Herzig erkannte, dass im Fall des Quercetins eine Hydroylgruppe enthalten sein musste, die zwar acetylierbar, nicht aber alkylierbar ist. Unumstritten war zu diesem Zeitpunkt lediglich die Summenformel: C15H10O7.

Nun zog Herzig zum Vergleich mit dem Quercetin das Fisetin heran und erkannte, dass letzteres nur um ein Sauerstoffatom weniger enthält als das Quercetin, dass also das Quercetin gleichsam ein Oxyfisetin ist. Da Herzig beobachtete hatte, dass aus dem Fisetin bei der Luftoxidation unter anderem Resorcin entsteht, folgerte er, dass im Fisetin ein Resorcinkern enthalten sein muss. Auf Grund der Zahl der in Fisetin, Quercetin und Euxanthon vorkommenden Hydroxylgruppen wurde nun klar, dass das Fisetin eine Mittelstellung zwischen Quercetin und Euxanthon einnimmt. Im Chrysin erkannt Herzig zuletzt die Muttersubstanz des Quercetins und konnte schließlich die Konstitutionsformeln angeben:


Herzig beschäftigte sich in der Folge mit einer Reihe von Farbstoffen, die Ähnlichkeiten mit dem Quercetin aufweisen. So studierte er 1894 die Zersetzung des Rhamnetins, das als Methylquercetin aufzufassen ist. Danach wandte er sich 1896 dem Luteolin und 1897dem Morin zu.

Durch die Anwendung der Alkylierungsmethode war Herzig schon sehr früh der Nachweis der Tautomerie an bestimmten Phenolen gelungen. Er stellte nämlich in einer Reihe von Untersuchungen zwischen 1888 und 1890 gemeinsam mit seinem Freund Zeisel fest, dass m-Dioxybenzole in zwei Formen reagieren können. Als H. Weidel kurz vor seinem Tod einen Weg gefunden hatte, Homologe des Phloroglucins einfach und in guter Ausbeute herzustellen, interessierte sich Herzig für diese Methode. Es gelang Herzig ab 1900 mit seinen Schülern Aigner, Theuer, Hauser, Kaserer und Eisenstein verschiedene Alkylether der Phloroglucine herzustellen. Mit F. Wenzel widmete sich Herzig von 1903 bis 1916 den Carbonsäuren der Phloroglucine, den entsprechenden Carbonsäureestern wie auch Ethern des Phloroglucinaldehyds. 1906 nahm Herzig gemeinsam mit Wenzel Untersuchungen über die Kernalkylierung bei Phenolen in Angriff. Anlässlich dieser Arbeiten stellten Wenzel und Herzig Tetramethyl- und Pentamethylorcin dar.

Unter Verwertung der bei den Alkylierungen gesammelten Erfahrungen unterwarf Herzig 1902 gemeinsam mit dem 1942 im KZ Theresienstadt umgekommenen Jacob (Jacques) Pollak die Alkylierungsprodukte des Pyrogallols, der Gallussäure und der Pyrogallocarbonsäure einem eingehenden Studium. Dabei wurden eine Reihe unbekannter Ether dargestellt. Das bei diesen Arbeiten angesammelte Tatsachenmaterial wurde später von Herzig selber bei der Überführung des Tannins in das Methylotannin wie auch vom berühmten Emil Fischer bei einer ähnlichen Untersuchung ausgewertet.

Gemeinsam mit seinem Schüler und Freund Hans Meyer, der wie Pollak in Theresienstadt ums Leben kam, entwickelte Herzig die Methode der Methylimidbestimmung. Auch heute noch zählt die zwischen 1894 und 1897 in den "Chemischen Berichten" und den "Monatsheften für Chemie" veröffentlichte Herzig-Meyer Alkimid-Gruppenbestimmungsreaktion zu den bekannten Namensreaktionen der organischen Chemie:


Diese Methode ermöglicht es, an Stickstoff gebundene Methylgruppen - auch neben Methoxylresten - quantitativ zu bestimmen. Das Herzig-Meyersche Verfahren fand rasch allgemeine Anerkennung und wurde insbesondere auf dem Gebiet der Alkaloidforschung als wertvolles Hilfsmittel zur Anwendung gebracht.


Apparat zur Methylimidbestimmung nach Herzig-Meyer: In das Gefäß a werden bis zu 0,3 g Substanz eingewogen und mit so viel Iodwasserstoffsäure übergossen, dass diese im Aufsatzrohr bis zur Linie d-e reicht. Außerdem wird zur Beschleunigung der Reaktion noch festes Iodammonium in a dazugegeben. Gefäß c wird unmittelbar an das Rohr b angebracht. Mittels des in a hineinragenden Röhrchens wird CO2 durchgeleitet. Abbildung aus Hans Meyers Buch "Analyse und Konstitutionsermittlung organischer Verbindungen", 5. Aufl., Berlin 1931, p. 566

Herzig befasste sich auch mit Eiweißstoffen - und zwar gemeinsam mit Karl Landsteiner, dem Entdecker der Blutgruppen. Landsteiner und Herzig studierten 1914 und 1918 vor allem die Einwirkung von Diazomethan und alkoholischer Salzsäure auf bestimmte Proteine. 1914 begann Herzig gemeinsam mit seinem späteren Nachfolger F. Faltis die Untersuchung des Bixins, der Hauptkomponente des natürlichen orangeroten Farbstoffes Orlean. Kleinere Arbeiten aus dieser Zeit hatten die Erforschung des Cedrons, des Scoparins und des Eserins zum Inhalt.

Nach dem Abschluss der Arbeiten über die gelben natürlichen Farbstoffe begann Herzig die Untersuchung bestimmter synthetischer Farbstoffe, insbesondere des Galloflavins und des Resoflavins. Es war wohl die Analogie dieser Farbstoffe mit der in der Natur vorkommenden Ellagsäure, die Herzig zu diesem Schritt veranlasste. In einer Reihe von Publikationen mit Pollak, aber auch mit viel jüngeren Mitarbeitern, gelang 1908 bis 1920 die Aufstellung von Strukturformeln, wobei auch mögliche tautomere Formen berücksichtigt wurden.


Herzigs letzte Publikation von 1923 beschäftigte sich mit dem Purpurogallin; es war ihm allerdings nicht mehr vergönnt "das Rätsel des Purpurogallins" zu lösen. Dies gelang erst R. Willstätter in einer Herzig 1923 gewidmeten Festschrift.

Nach der relativ ausführlichen Würdigung der wissenschaftlichen Leistungen Herzigs sollen Hinweise auf seinen Arbeitsstil, sein Wirken als Lehrer, wie seine private Situation nicht fehlen. Hervorgehoben wird von Herzigs Schüler J. Pollak, dass es im Leben Herzigs keine Sprünge gab. Unglaubliche Ausdauer, Hingabe und Genauigkeit kennzeichneten seine Arbeitsweise. Als Lehrer verstand er es meisterhaft, mit seinen Schülern in innigem Kontakt zu bleiben. Vielen von ihnen war er ein väterlicher Freund. Josef Herzig war einer der Unterzeichner der Pro Finlandia Petition von 1899 an den Russischen Zaren, offensichtlich war er auch politisch interessiert. 1899 heiratete er seine Kusine Etka Pineles (1859 - 1936), die wie er in Sanok geboren wurde. Nach J. Pollak war Herzigs Gattin geistig hochstehend, interessierte sich für die verschiedensten Kunstgattungen und erzeugte zu Hause eine angenehme Atmosphäre.

Herzig, wohl einer der erfolgreichsten Repräsentanten der österreichischen Schule der Erforschung der Naturstoffe, starb unerwartet im siebzigsten Lebensjahr am 4. Juli 1924 in Wien. Seine sterblichen Überreste wurden im Familiengrab der Familie Pineles am Wiener Zentralfriedhof in der alten iraelischen Abteilung beim 1. Tor (51/8/7) beigesetzt. Eine Relieftafel im ehemaligen Chemischen Institut in der Währingerstraße (Nr. 10), die an Herzig erinnerte, wurde kurz nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten zerstört. Im 23. Wiener Gemeindebezirk wurde die Herziggasse in Erlaa nach dem großen Chemiker benannt.

Herzig war von 1906 an korrespondierendes Mitglied der österreichischen Akademie der Wissenschaften, den Ignaz L. Lieben-Preis erhielt er 1902 für seine Arbeiten über die natürliche Farbstoffe.

Es dürfte kaum bekannt sein, dass der große Psychoanalytiker Sigmund Freud seinem Jugendfreund Josef Herzig die Ausräumung etlicher Schwierigkeiten bei seiner Ausreise 1938 verdankt. Das kam so: Schon seine erste wissenschaftliche Arbeit über die Aale aus dem Jahre 1877 widmete der Student Sigmund Freud (wie auch zwei folgende Arbeiten) seinem damals vierundzwanzigjährigen Freund Josef Herzig. Herzig war lange Jahre hindurch ein gern gesehener Gast in der Berggasse. Herzig war - wenigstens für etliche Wochen - Freuds jüngerer Schwester Rosa sehr zugetan. Er fuhr mit ihr für drei Wochen nach Oberwaltersdorf. Herzig hatte später als Lehrer viele Schüler, darunter auch einen gewissen Dr. Anton Sauerwald (*1903), der zwar ein eifriger Antisemit und Anhänger der Nationalsozialisten war, aber dennoch seinen jüdischen Lehrer Herzig sehr verehrte. Schließlich wusste Sauerwald auch von den freundschaftlichen Beziehungen seines Lehrers zu Sigmund Freud. Als es um die Ausreise Freuds im Jahre 1938 ging, war eben dieser Dr. Sauerwald der von der Gestapo bestellte kommissarische Verwalter. Sauerwald soll bei der Deklaration der Vermögensverhältnisse Freuds vergleichsweise großzügig vorgegangen sein. Freuds Tochter Anna gab nach dem Krieg an, Sauerwald hätte sogar die Verpackung der Habseligkeiten persönlich überwacht.

Literatur:

J. Pollak, "Josef Herzig", Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft 59, 1925, A, pp. 55 - 75 (mit Porträt und Bibliografie).
Handbuch österreichischer Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft, 18. bis 20. Jahrhundert, hrsg. von der ÖNB, Bd.1, K.G. Saur, München 2002, p. 542, Nr. 4129.
N. Brinda-Konopik, "Robert Wilhelm Bunsen und die Chemische Schule an der Universität Wien", 1992, http://www.univie.ac.at/Phys-Chemie/bunsen.htm#Bunsen
Pro Finlandia Petition 1899, http://personal.inet.fi/koti/pauli.kruhse/pro/valinta.htm
Poggendorfs Biographisches Handwörterbuch Bd. 4/I (1883 - 1903), p. 629; Bd. 5 (1904 - 1922), p. 529, Bd. 6, p. 1099.
Österreichisches Biographisches Lexikon 1815 - 1950, Österr. Akademie d. Wissenschaften, Bd. 2, p. 298.
Neue Deutsche Biographie, Bd. 8, p. 735.
W. Oberhummer, "Herzig, Josef", Neue Deutsche Biographie, Bd. 8, Duncker&Humblot, Berlin 1969, p. 735.
J. Pollak, "Josef Herzig zum siebzigsten Geburtstag", Österr. Chemiker-Zeitung 26, 1923, p. 139f.
R. Wegscheider, "Josef Herzig", Almanach der Akademie der Wissenschaften 75, 1925, pp. 194 - 198.

R. W. S.

6. Schlussbemerkung des Projektleiters


Schrill konterkariert werden derartige komplexe Projekte der Geschichtsaufarbeitung durch historisch vollkommen falsche, geradezu schwachsinnige Äußerungen von Politikern einer Partei, die Regierungsverantwortung übernommen hat und Anspruch auf die Besetzung höchster Ämter im Staat stellt. Man halte sich die Wirkung solcher Meinungskundgebungen auf im Wissens- und Erkenntnisstand noch nicht gefestigte Jugendliche vor Augen, die ohndedies der Schule samt den von ihr vertretenen Inhalten distanziert gegenüber stehen!